Unter dem Himmel von Notre Dame by Penelope Williamson

Unter dem Himmel von Notre Dame by Penelope Williamson

Autor:Penelope Williamson [Williamson, Penelope]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783955306113
Herausgeber: Edel eBooks
veröffentlicht: 2015-05-18T16:00:00+00:00


Gabrielle stützte sich auf einen Arm und nützte die Gelegenheit, das Gesicht ihres Mannes eingehend zu studieren, ohne daß er sie ansah. Im Schlaf wurden die harten Linien um seinen Mund weich. Die geschlossenen Lider mit den unglaublich langen Wimpern verbargen den Spott in seinen Augen. Max sah sanft, vertrauenswürdig und unschuldig aus. Wenn er schlief, sah ihr schelmischer Lausebengel von Sohn genauso aus – wie ein Engel.

Agnes wirkte nie so sanft und verletzlich, auch nicht wenn sie schlief; und soweit sich Gabrielle erinnerte, hatte auch ihrer Mutter dieser weiche Zug gefehlt. Vermutlich blieb dieser Vorzug dem männlichen Geschlecht vorbehalten.

Lächelnd berührte Gabrielle Max’ Wange; sofort öffnete er die Augen und war hellwach.

»Schau! Paris!« Gabrielle richtete sich auf und deutete auf den Horizont, wo rauchverhangene Gebäude zu erkennen waren. Der heiße Wind trug den ungesunden Gestank der Stadt mit sich.

Max setzte sich auf, legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. Sein Lächeln war zwar nicht mehr engelsgleich, dafür warm und liebevoll. »Wieder zu Hause«, seufzte er.

Die Zigeuner schlugen außerhalb der Stadtmauer ihr Lager auf. Max und Gabrielle passierten das Stadttor zu Fuß und nahmen eine Droschke zum Palais Royal.

Gabrielle schmiegte sich auf dem zerschlissenen Ledersitz dicht an Max und hielt die Hände krampfhaft verschlungen im Schoß, während die Droschke durch die überfüllten Straßen der Stadt holperte. Max griff nach ihrer Hand und führte sie an seinen Mund. Gabrielle dachte, er wolle ihr vielleicht Mut machen, aber sie hatte keine Angst, sie war glücklich. Sie kam nach Hause und war mit dem Mann verheiratet, den sie aus ganzem Herzen liebte, mit Leib und Seele. Sie bedauerte nichts.

Sie stiegen in genau dem Augenblick am Parktor aus, als die Sonne hinter den Mauern des Palastes verschwand. Langsam spazierten sie durch die Arkaden, vorbei an den Läden und Kaffeehäusern, und nickten den Kurtisanen, Buchhändlern und Quacksalbern zu, die ihre Nachbarn im Palais Royal waren. Zwar mußten sie einen seltsamen Anblick bieten, barfuß und grau vom Staub der Straße, wie sie nun einmal waren, aber niemand sah sie schief an. In dieser Gegend wirkten noch viel ungewöhnlichere Gestalten, als sie es waren, ganz alltäglich.

Die drei goldenen Kugeln des Pfandleiherladens blinkten ihnen durch die Bäume hindurch entgegen. Gabrielle entdeckte ihren Sohn, der auf der kleinen Veranda vor dem Laden kauerte und sich auf ein schwarzes schachtelähnliches Gebilde konzentrierte, das zwischen seinen weit gespreizten Knien stand. »Dominique!« rief Gabrielle, ließ Max los und lief auf ihren Sohn zu.

Dominique sah zu ihr hoch und lächelte. »Hallo, Mama!« grüßte er erfreut, aber keineswegs überwältigt vor Aufregung über das Wiedersehen. Sie hätte genauso gut zwei Minuten oder zwei Tage fort gewesen sein können.

Gabrielle bückte sich, um zu sehen, womit er spielte. Es war ein kleiner, aus Weidenruten geflochtener Käfig, der mit einem Tuch bedeckt war.

»Das ist mein neuer Freund, Mama. Ich habe ihn mit einem Stück Käse gefangen.«

Gabrielle lächelte ihren Sohn an, hob den Käfig hoch und zog das Tuch zur Seite. »Und wer ist dein neuer ... Du lieber Himmel!« Gabrielle kreischte und ließ den Käfig entsetzt fallen.



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